Toller Beruf – schlechtes Image?!
Warum haben soziale Berufe vermeintlich ein schlechtes Image – und wie können Fachschulen und Einrichtungen dem entgegenwirken? Darüber wurde am vergangenen Dienstag beim Fachtag „Zukunft der sozialen Berufe“ im Burkardushaus in Würzburg diskutiert.
Über den Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich der Pflege und im sozialen Bereich, wird viel gesprochen. Doch das allein löst das Problem bekanntlich nicht. Deshalb haben sich die Robert-Kümmert-Akademie, der Verein für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung e. V., AWO Bezirksverband Unterfranken e. V. zusammengetan und den Fachtag organisiert: Ziel war es eine trägerübergreifende Kooperation zu starten und gemeinsam für die Region Unterfranken etwas zu arrangieren, um in den Austausch zu kommen und Lösungen zu entwickeln.
Nach der Begrüßung durch Andreas Ullherr, Prokurist der Robert-Kümmert-Akademie und Schulleiter der Dr. Maria-Probst-Schule, begrüßte auch Mechtild Schwierczek, stellvertretendes Vorstandmitglied des St. Josefs-Stift e. V., die Anwesenden. Die Entwicklungen des Fachkräftemangels im sozialen Bereich liegen ihr als Mutter eines behinderten Sohnes und somit auch als Betroffene sehr am Herzen. Sie sagte deutlich: „In der jetzigen Lage befürchte ich, dass Einrichtungen schon kollabieren könnten, bevor genug neue Fachkräfte ihre Ausbildung durchlaufen haben – es ist höchste Zeit zu handeln!“
Die Pandemie war – hier wird man sich einig – ein Brandbeschleuniger für den Fachkräftemangel. Entsprechend erfreut ist die Dr. Maria-Probst-Schule in diesem Schuljahr dennoch über 100 Menschen gewonnen zu haben, die im September in die Ausbildung als Heilerziehungspfleger:in und Heilerziehungspflegehelfer:in gestartet sind. Auch viele Schüler:innen der einjährigen Ausbildung als Heilerziehungspflegehelfer:in denken darüber nach, sich anschließend als Heilerziehungspfleger:in ausbilden zu lassen. Dennoch: Für viele Schulabschlussabsolvent:innen kommt der Beruf des oder der Heilerziehungspfleger:in nicht in Frage. Denn das Image sozialer und pflegender Berufe ist heute nicht mehr das Beste.
Die Entscheidung, den Beruf Heilerziehungspfleger:in zu ergreifen, wird zum Großteil vom Umfeld der Bewerber:innen beeinflusst. Es hilft beispielsweise, wenn bereits Familienmitglieder im sozialen Bereich arbeiten oder Menschen mit Behinderung im engeren Umfeld leben. Auch Praktika eröffnen häufig den Weg zum Beruf Heilerziehungspfleger:in.
Ebenso spielen Freiwilligendienste, die des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) und des Bundesfreiwilligendienstes (BFD), eine wichtige Rolle für die Ergreifung eines sozialen Berufes. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Förderung der Freiwilligendienste um insgesamt 78 Millionen Euro in 2024 und um weitere 35 Millionen Euro in 2025 gekürzt werden. Bei Umsetzung der geplanten Kürzungen von insgesamt 113 Millionen Euro stünden viele Plätze in den Freiwilligendiensten vor dem Aus. Die geplante Mittelkürzung von 35 Prozent, würde die Lage am Arbeitsmarkt weiter verschärfen, da auf diese Weise jede vierte Einsatzstelle wegfallen würde und somit auch ein wichtiger Zugangsweg zum Beruf des/der Heilerziehungspfleger:in.
In drei Vorträgen stellten die eingeladenen Referenten aus unterschiedlichen Perspektiven – Ausbildung, Wissenschaft und Marketing – ihre Sicht zur Gewinnung von Fachkräften vor.
Frank Fischer, Schulleiter der Fachschule in Schweinfurt und Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) HEP, berichtete über die aktuelle Ausbildungs- und Schullage für Heilerziehungspfleger:innen. Seit dem Sommer dürfen Heilerziehungspfleger:innen nun auch in nicht-inklusiven Kitas arbeiten, was den Beruf für viele ein Stück weit attraktiver macht. Dennoch steht eine dringend notwendige Ausbildungsreform bevor. Die LAG arbeite zudem an der dringend notwendigen Gleichstellung der Schulabschlüsse, damit mehr Menschen die Chance haben, die Ausbildung als Heilerziehungspfleger:in zu beginnen.
Claudia Burkard, Projektmanagerin der Bertelsmann-Stiftung, gab einen Überblick über den aktuellen Ausbildungsmarkt und machte in ihrem Vortrag deutlich: Schulabgänger:innen haben keine Orientierung bei der Berufswahl. Berufe mit schlechtem Image, haben somit oft gar kein Image, weil sie schlichtweg nicht bekannt sind. Deshalb sei es wichtig, Jugendliche beim Jobeinstieg mehr zu begleiten und höhere Beträge in Marketingmaßnahmen zu investieren, um Jugendliche für das Berufsfeld zu interessieren.
Tatjana Sorge, Juristin beim Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), die vertretungsweise für Andreas Weigand referierte, gab einen Einblick in die Ausgangslage aus dem Bereich der Eingliederungshilfe: Hier fehlen überdurchschnittlich viele Fachkräfte. Deshalb appellierte sie mit ihrem Vortrag an das „sich sichtbar machen“ in den sozialen Medien. Mit einem seriösen Internetauftritt könne das Interesse für soziale Berufe dort, wo sich die jungen Zielgruppen tummeln, schon frühzeitig geweckt werden.
In anschließenden Workshops entwickelten die Teilnehmenden konkrete Ideen auf die Fragen: Wie der Beruf Heilerziehungspfleger:in sichtbarer gemacht werden kann? Was können Ausbilder:innen und Einrichtungen… Und welche Forderungen an die Politik gestellt werden müssen. Denn auch die bestehende Ausbildungsform steht in der Kritik: Derzeit gibt es landesweit etwa keine einheitliche Vergütung und Arbeitszeitregelungen für die Schüler:innen. Auch hier muss dringend angesetzt werden, um die Ausbildung attraktiver zu gestalten.